Der 100. Geburtstag von Alain Robbe-Grillet wird in Frankreich und vielen anderen Ländern in Form von Neuauflagen seiner Bücher (in Erwartung der Œuvres complètes in der Bibliothèque de la Pléiade), Retrospektiven seines filmischen Werks, Kolloquien und anderen Ausstellungen gefeiert. Alain Robbe-Grillet war ein französischer Schriftsteller, Drehbuchautor, Regisseur, einer der Erfinder und der Theoretiker des Nouveau Roman. Benoît Peeters, einer der größten Kenner des Autors, bringt im September bei Flammarion seine neue große Biografie heraus.

Im Gespräch mit Tonia Raus wird er die erste Biografie über den französischen Schriftsteller vorstellen.

„Alain Robbe-Grillet (1922-2008) verstörte, faszinierte und reizte. Er rief mehr Hassartikel hervor als jeder andere seiner Zeitgenossen. Doch er verstand es, die feindseligsten Kritiker umzustimmen und das Interesse der brillantesten Kritiker, angefangen bei Barthes, Blanchot und Foucault, zu wecken. Zweifelsohne nicht aus Gefälligkeit hielt Nabokov La Jalousie (1957) für den "schönsten Liebesroman seit Proust". Erstaunlicherweise wird Alain Robbe-Grillets Werk heute jedoch weniger gelesen, und obwohl sich im Jahr 2022 sein Geburtstag zum hundertsten Mal jährt, ist noch keine größere biografische Arbeit über ihn erschienen. Daher wollte ich basierend auf den zahlreichen Archiven, die der Schriftsteller hinterlassen hat, seine Person und mit ihr das Abenteuer des Nouveau Roman wieder aufleben lassen. Der Nouveau Roman, dem ein strenger Ruf vorauseilt, entstand in einer Zeit in welcher literarische Debatten zu heftigen Emotionausbrüchen führten. Es ist ein außergewöhnliches Zusammentreffen von Talenten, eine Geschichte von Freundschaften und Zerwürfnissen, von Glanzleistungen und Grauzonen.
Ich werde "Robbes" langjähriges Bündnis mit Jérôme Lindon, seine Freundschaft mit Jean Paulhan, seine wechselhaften Beziehungen zu Nathalie Sarraute, Claude Simon oder Roland Barthes sowie seine ungewöhnliche Ehe mit Catherine Robbe-Grillet behandeln. Ich werde versuchen, das gequälte Kind, den Arbeiter des Service du travail obligatoire (STO, Pflichtarbeitsdienst), den Agraringenieur, den außergewöhnlich sprachmächtigen Schriftsteller, den heimlichen Gefühlsmenschen, den kühnen Verleger, den brillanten Pädagogen und den unermüdlichen Reisenden, der Alain Robbe-Grillet war, wieder zum Leben zu erwecken. Ich werde mich mit diesem seltsamen Mann befassen, den seine einzigartigen Obsessionen von anderen trennten. Eine Figur, die unendlich vielschichtiger ist als der Medienprovokateur der letzten Jahre. Ein bedeutender Autor, den es unbedingt wiederzuentdecken gilt.”  (B. Peeters)

Benoît Peeters, geboren 1956 in Paris, ist Romanautor (Omnibus, La Bibliothèque de Villars), Biograph (Jacques Derrida, Sandor Ferenczi, Paul Valéry und Hergé), Comicautor (u.a. von Die geheimnisvollen Städte, verfasst 1982 mit François Schuiten), Kritiker und Comic-Theoretiker. Mehrmals betätigte er sich auch im Feld des Audiovisuellen: eine Dokumentation über Comics, ein Film über Derrida, Interviews mit Alain Robbe-Grillet (erschienen in Buchform bei Flammarion, Reinventer le roman, September 2022). Peeters hat u.a. Arbeiten zu Alfred Hitchcook, Agatha Christie, Nadar und Victor Horta veröffentlicht. Für das Kino arbeitete er mit Raoul Ruiz, führte selbst bei mehreren Filmen Regie, war von 1988 bis 1996 Direktor der Collection Moulinsart bei Castermann und seit 2001 Verlagsberater desselben Hauses. Er leitet einen unabhängigen Verlag, Les Impressions Nouvelles, den er 1985 gegründet hat. Von 2016 bis 1019 war Benoît Peeters als Gastdozent am Conservatoire national des arts et métiers und zeigte dort 2018 im Rahmen einer Vortragsreihe seine Leidenschaft für die Kochkunst. Er ist außerdem Visiting Professor an der Universität Lancaster (Großbritannien).

Tonia Raus ist Assistenzprofessorin an der Universität Luxemburg, wo sie den Studiengang „Langue et littératures françaises“ des Masterstudiengangs für das Lehramt an Sekundarschulen leitet.